Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen

Als bedeutender Sozialpartner ist EIT.swiss an einer vernünftigen Regelung der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen interessiert.

Drei Quoren

In Gesamtarbeitsverträgen (GAV) legen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter grundlegende Inhalte der in einer Branche geltenden Arbeitsbedingungen fest. Typischerweise enthalten GAV Bestimmungen zu Mindestlöhnen und Arbeitszeiten sowie eine Friedenspflicht der Arbeitnehmenden gegenüber den Arbeitgebern. Den Unternehmen steht es frei, für ihre Mitarbeitenden vorteilhaftere Arbeitsverträge abzuschliessen. Der GAV legt den Mindeststandard fest. Grundsätzlich gelten GAV nur für die Unternehmen bzw. Verbände, die sie unterzeichnet haben. Um für eine ganze Branche Bedeutung zu erhalten, können die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften die Behörden um eine Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) ersuchen. Mit einer AVE gelten die GAV auch für alle Unternehmen eines Wirtschaftszweigs, auch wenn sie nicht explizit unterzeichnet haben. Damit nicht eine Minderheit der Arbeitnehmenden und Arbeitgeber die Mindeststandards für eine ganze Branche diktiert, ist die AVE an drei Bedingungen gebunden: Damit ein GAV eine AVE erhält, muss er von mindestens der Hälfte in einer Branche beschäftigten Mitarbeitenden und der Hälfte der in der Branche tätigen Unternehmen unterzeichnet worden sein. Die unterzeichnenden Unternehmen müssen zudem mindestens die Hälfte aller in der Branche angestellten Mitarbeitenden beschäftigen. Diese drei Quoren stellen sicher, dass sowohl die Interessen der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmenden berücksichtigt werden.

Korrektur geplant

Der Organisationsgrad von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden hat sich in den letzten Jahren immer weiter verändert. Dies hat auch mit dem Strukturwandel der Wirtschaft zu tun, wo eine Verschiebung zum Dienstleistungssektor zu beobachten istDas Parlament hat deshalb Handlungsbedarf erkannt. In drei gleichlautenden Parlamentarischen Initiativen (17.406 (Feller Olivier, FDP, VD), 17.407 (Gschwind Jean-Paul, CVP, JU), 17.408 (Chiesa Marco, SVP, TI)) wird gefordert, dass erstes und zweites Arbeitgeberquorum miteinander verwoben werden. Künftig soll eine AVE möglich sein, wenn zwar weniger als 50% der Unternehmen den GAV unterzeichnet haben, diese aber mehr als 50% der Mitarbeitenden beschäftigen. In der Summe sollen der Anteil der Unternehmen und der Anteil an den Beschäftigten 100% ergeben. Für eine AVE müssen aber mind. 35% der Unternehmen, die 65% der Mitarbeitenden beschäftigen, einen Antrag stellen. Im Gegenzug lassen sich nur noch GAV-Inhalte allgemeingültig erklären, die direkt im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen stehen, z.B. Mindestlöhne und Arbeitszeit. EIT.swiss unterstützt die Vorstösse, weil sie auch für die Zukunft garantieren, dass die Unternehmen allgemeinverbindliche GAV abschliessen können. Eine Lockerung der Quoren, die es einer Minderheit der Arbeitnehmenden erlauben würde, für alle Beschäftigten einer Branche die Arbeitsbedingungen zu diktieren, lehnt EIT.swiss ab. Einerseits würde dies die Arbeitgeberinteressen unter Druck setzen und andererseits die Vertragsfreiheit nichtorganisierter Arbeitnehmender in Frage stellen.