Serie: Nachwuchs für die Elektrobranche (Folge 2)

Der Ausbildungsleiter

Interview mit Kurt Wernli, Jost Elektro AG, Brugg.

VSEI Wie gewinnen Sie die jungen Leute für die Schnupperlehre?

Wir nutzen die Sozialen Medien, unsere Website, Werbung in Schulen und an Messen, Broschüren des VSEI und eigene Werbebroschüren inklusive eines Films über unsere Ausbildung. Aber auch die Mund-zu-Mund-Werbung ist sehr wichtig.

Was macht eine erfolgreiche Schnupperlehre aus? Wie gewinnt man die Schnupperlernenden dann für die eigentliche Ausbildung?

Zuerst muss sich der Jugendliche online oder schriftlich bewerben. Danach machen wir eine Vorselektion. Hier klären wir ab, ob eine Chance besteht, dass der Jugendliche später eine Lehre machen kann. Die Selbst- und Sozialkompetenzen sind uns dabei sehr wichtig.
Unsere Schnupperlernenden müssen sich für die Schnupperlehre vorbereiten. Vor Beginn der Schnupperlehre erhalten sie von uns ein persönliches Schnuppertagebuch. Darin müssen sie auch Fragen zum Beruf und zu unserer Firma beantworten. Diese Fragen sind auf die Dauer der Schnupperlehre (ein bis fünf Tage) abgestimmt. Die Antworten finden sie in den abgegebenen Unterlagen.
Während der Schnupperlehre ist jederzeit ein Mitarbeitender oder ein Lernender für den Schnupperlernenden zuständig und verantwortlich. Wir machen keine Show. Der Schnupperlernende soll realistische Alltagssituationen erleben. Es bringt niemandem etwas, wenn wir dem Jugendlichen ein falsches Berufsbild vermitteln: ehrlich währt am längsten. Jeden Tag verbringt er in einer anderen Abteilung. Zudem legen wir grossen Wert auf die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz. Dem geben wir vom ersten Tag an Ausdruck und das schafft Vertrauen. Bei vier- oder fünftägigen Schnupperlehren führt der Schnupperlernende unter meiner Anleitung eine praktische Arbeit in unserem Ausbildungsraum aus. Nach Abschluss der Arbeit beurteile und bewerte ich diese. Darauf folgt eine ausführliche Information zur Berufsausbildung, zur Berufsfachschule, zu den ÜK-Kursen, über unser internes Ausbildungskonzept im Lehrbetrieb und zu den Weiterbildungsmöglichkeiten. Der Schnupperlernende bekommt auch Gelegenheit, Fragen zu stellen, die wir umfassend beantworten. Dies schafft wiederum Vertrauen und der Schnupperlernende fühlt sich gut aufgehoben.

Was macht für Sie eine gute und erfolgreiche Lehre aus? Was müssen die Lernenden für das Unternehmen und was muss das Unternehmen für die Lernenden leisten?

Klare Regeln, die für beide Seiten gelten, sind wichtig. Diese Regeln haben wir schriftlich abgefasst. Sie werden den Lernenden bei Lehrbeginn detailliert erklärt. Lernende wollen gefordert werden. Das Fordern und Fördern muss im Gleichgewicht bleiben.
Ein guter Lernender muss nicht derjenige mit den besten Schulnoten sein. Grundvoraussetzung ist jedoch handwerkliches Geschick und Leistungsbereitschaft. Ein guter Lernender nimmt die erhaltene Chance wahr, um mit seinen Möglichkeiten das Optimum zu erreichen. Schon einige Male durfte ich Lernende betreuen, die es im bisherigen Leben nicht einfach hatten. Solche Lernenden sind oft überdurchschnittlich leistungsfähig und erreichen Erstaunliches, sofern man ihnen das Vertrauen schenkt und sie auf ihrem Weg begleitet.
Lernende brauchen fachliche und menschliche Vorbilder. Diese Vorbilder müssen die Lernenden in die Berufsund Erwachsenenwelt einführen. Wir müssen Lernende ernst nehmen und ihnen zeigen, dass sie für uns wichtig sind. Eine gute Ausbildung ist mit Aufwand verbunden. Lernende sind keine billigen Arbeitskräfte. Die Lernenden sind die Zukunft des Unternehmens. Durch eine professionelle Ausbildung besteht die Möglichkeit, Lernende frühzeitig selbstständig einzusetzen. Dies steigert ihr Berufsinteresse und die Leistungsbereitschaft – ein Gewinn für beide Seiten. Während der Lehre ist es für beide Seiten ein Geben und Nehmen. Bleibt dieses im Gleichgewicht, steht einer erfolgreichen Lehre nichts im Wege.

Sie veranstalten regelmässig ein Lager für Lernende. Was bringt das den Lernenden, was dem Unternehmen?
Das Hauptziel unseres Lernendenlagers ist gegenseitiges Kennenlernen und gemeinsames Weiterkommen. Das Lager schweisst die Lernenden und die Betreuer zusammen. Man lernt sich und die Kollegen kennen und stellt fest, dass man als Team schneller weiterkommt.
Das Lernendenlager bleibt den Lernenden für ihr ganzes Leben in positiver Erinnerung. Jetzt gehört man im Betrieb dazu. Ein Wir-Gefühl entsteht. Durch das intensive viertägige Zusammenleben lernen wir uns gegenseitig besser kennen. Wir lernen die Stärken und Schwächen des Gegenübers kennen. Für die restliche Lehrzeit ist dies dann besonders wichtig, wenn anspruchsvolle Situationen entstehen.

Während der Ausbildung werden aus den Jugendlichen erwachsene Berufsleute. Was bekommen die Lernenden neben der eigentlichen Berufsbildung bei Ihnen für das Leben mit?

Die Lehre ist eine Lebensschule. Will man im Team und in der Gesellschaft dazugehören, muss man bereit sein, sich zu integrieren. Regeln und Weisungen sind einzuhalten. Die Jugendlichen lernen, sich aktiv zu beteiligen, durchzubeissen und nicht gleich aufzugeben, wenn es etwas hart zugeht. Gemeinsam werden Ziele angegangen und erreicht.
Wir fördern ihre Selbstständigkeit, damit sie im späteren Leben auf eigenen Füssen stehen können. Zudem lernen sie, Verantwortung zu übernehmen und Verantwortung zu tragen. Sie können erste Führungserfahrungen machen, beispielsweise bei der Betreuung von Schnupperlernenden oder jüngeren Lernenden. Durch den Lernendenlohn lernen sie, mit Geld umzugehen.
Auf Wunsch beraten und unterstützen wir den Lernenden auch in privaten Angelegenheiten. Dieses Angebot wird immer häufiger genutzt.

Zuletzt noch allgemein zur Berufslehre: Warum empfehlen Sie jungen Menschen, eine Schnupperlehre oder eine Ausbildung in der Elektrobranche zu machen?

Weil es ein Traumberuf ist!
Nein, ganz ehrlich. Es gibt wenige so vielseitige und abwechslungsreiche Berufe. Meine Arbeit ist sehr wichtig – ohne Strom läuft nichts. Als Elektriker komme ich an Orte, wo sonst normalerweise für niemanden Zutritt besteht. Beispielsweise in Kernkraftwerke, Forschungsanstalten, Spitäler, Datencenter, Verteilcenter, Flughäfen, Villen, Banken, Produktionsbetriebe usw. Zudem hat man Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen und lernt mit ihnen umzugehen.
Den Elektriker wird es immer brauchen. Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind fast unbegrenzt vorhanden. Wenn jemand will, stehen ihm nach der Berufsausbildung sämtliche Türen offen.

Die männliche Form gilt gleichermassen für weibliche Jugendliche.