Der Elektriker verkauft sich unter seinem Wert

«Systemrelevant» wurde zum Wort des Jahres 2020 gewählt. Die Politik streitet sich darüber, auf welche Berufsgruppen wir nicht verzichten können und wo Unterstützung notwendig ist.

Nationalrat Matthias Jauslin berichtet. 

Bekanntlich hat uns das vergangene Jahr 2020 eindrücklich gezeigt, wer oder was in unserer Gesellschaft als systemrelevant angesehen wird. Zumindest haben uns das die Medien so suggeriert, und Bundesbern hat dies dankend aufgenommen. Bestimmte Berufsgruppen oder Tätigkeiten wurden zum Inbegriff der Corona-Pandemie (de-)gradiert. Dass das Pflegepersonal bei der Bewältigung der Krise eine wichtige Rolle spielt, ist unbestritten. Auch dass über die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden in betroffenen Berufsfeldern diskutiert wird, ist richtig und wichtig.

In der politischen Debatte rund um die COVID-19-Krise tauchten allerlei Tätigkeiten auf, die nun ebenfalls als systemrelevant und damit als unterstützungswürdig zu gelten haben. Mittlerweile ist die Liste lang, was alles in einem Staat oder einer Gesellschaft zum Überleben gebraucht wird. Das Bundesparlament liess sich dazu hinreissen, dass neben Gastrobetrieben, Eventorganisationen, Künstlerinnen und Künstlern sogar Fussballmannschaften aus der obersten Spielklasse gestützt werden. Eine Gefährdung dieser Berufsgruppen will man auf keinen Fall in Kauf nehmen.

Und wie steht es eigentlich mit den Elektrikern und den übrigen Gebäudetechnikern? Mit einer Selbstverständlichkeit geht man davon aus, dass sich diese Berufsgruppen selbst zu helfen wissen und jederzeit bereit sind, die notwendigen Dienstleistungen zu erbringen. Grundsätzlich gut, doch frage ich mich, ob sich unsere Elektroinstallationsbetriebe auch wirklich so positioniert haben.

Bei sämtlichen Bauten ist doch der Beruf des Elektroinstallateurs, des Telematikers oder des Gebäudeinformatikers schon per Definition systemrelevant. Kein Gewerk kann ohne diese Berufsgattungen in Betrieb gehen. Keine Produktionsanlage, keine Notfallzentrale, kein Spital oder Pflegeheim würde je funktionieren, wenn im Vorfeld nicht die nötigen Installationen durch ausgebildete Berufsleute erstellt, durch Elektro-Sicherheitsberater kontrolliert und durch Servicetechniker unterhalten wurden.

Trotzdem lassen sich Unternehmen dazu verleiten, Dienstleistungen unter dem Wert anzubieten. Die Folgen sind verheerend. Das Personal arbeitet bei Wind und Wetter auf den Baustellen unseres Landes und sorgt wortwörtlich dafür, dass die Schweiz erhellt wird. Mit ausserordentlichen Leistungen ab den Einlegearbeiten bis hin zur Unterschrift des Sicherheitsnachweises tragen die Elektriker überdurchschnittlich zu einem gelungenen Werk bei. Sie übernehmen Verantwortung, sorgen für die Sicherheit und bereinigen Schnittstellen. Trotz dieses Engagements erwirtschaften die Installationsbetriebe auch in guten Zeiten nur geringe Gewinne, vielfach sogar schmerzhafte Verluste. Mit Einsparungen versucht man, über die Runden zu kommen. Notwendige Investitionen in Ausbildung und Betriebsmittel werden auf die lange Bank geschoben mit dem Risiko, so den Anschluss zu verlieren.

Solange der Preiskampf dominiert und sich sämtliche Anbieter gegenseitig das Leben schwer machen, werden wir nie den Aufstieg zu den populären systemrelevanten Berufsgruppen schaffen, für welche die Bevölkerung und die Politik aufsteht, applaudiert und den Mehrwert honoriert. Da muss sich unsere Branche jedoch selbst an der Nase nehmen.

Matthias Samuel Jauslin ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.